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Die Abenteuer der biZZiklette

Die biZZiklette im Reich der Schatten

Ein eisiger Regen klatscht laut gegen die Fenster und füllt die Schlaglöcher im Innenhof mit einer traurigen Mischung aus nasskaltem Wasser und Schneematsch. Die biZZiklette lies betrübt den Blick über die diesige Straße schweifen und verabschiedete sich innerlich endgültig den Sommer. Vielleicht sollte sie die Gelegenheit nutzen und ihr Fahrrad wetterfest machen, das Frontlicht hatte beim letzten Abenteuer ohnehin einiges abbekommen. So schleppte sie den Drahtesel die alte Holztreppe hinauf, Richtung Dachboden, wo die kleine Werkstatt der biZZiklette zwischen staubigen Kartons und alten Möbeln wie ein prunkes Schmuckstück glänzte. Oder glänzen sollte…

Die biZZiklette stolperte über die gleichermaßen abstrakt sowie spontan gestapelten Kisten, wollte sich abstützen, griff mit ihrer Hand in das endlose Nichts der Leere und riss mit lautem Donnerwetter sämtliches Gerümpel mit sich. Begleitet von einer Diktion, die so manchem Wirtshausbruder die Röte in sein Antlitz zaubern würde, senkte sich die pudrige Wolke aus Staub. Wie Nebel harrte sie jedoch kurz über dem Boden und wagte es nicht sich abzulegen.

Die biZZiklette wollte sich gerade aus der selbstverschuldeten Wirrnis erheben, als sie kaltes Metall zwischen den Fingern fühlte. Sie fischte das Stück aus dem immer noch wabernden Staubteppich und betrachtete es im kargen Licht der Deckenlampe! Schwer lag das fein verzierte Ding in ihren Händen. Eine Art Leuchte, viele viele Jahre alt, handgeschmiedet und mit silbernen Runen beschlagen. Der konisch geformte Korpus würde sich perfekt als Lampe eignen und die biZZiklette kniete bereits eifrig vor ihrem getreuen Gefährt. Es brauchte nur wenige Minuten und der neue Fund zierte bereits die Front des Rades. Gerade als die biZZiklette darüber grübelte, wie sie ihre Konstruktion zum leuchten bringen sollte, fröstelte sie. Das fahle Licht des Dachbodens wurde immer schwächer und je dunkler die Umgebung plötzlich wurde, desto kälter schien ihr der Raum. Ein Tosen durchfuhr das Dachgestühl und die alten Balken knarrten und bogen sich unter einer heimlichen Last.

Die biZZiklette schreckte auf, packt ihr Rad und schlagartig war alles Dunkel! Nur noch schemenhaft konnte sie die Silhouetten erkennen und ihr war als käme die Dunkelheit immer näher, ein schwarzes Nichts, das ihr Umfeld verschluckte. Ein ohrenbetäubender Lärm, gleich dem Dröhnen tausender Orgeln einer finsteren Welt, ließen den Boden und die eisige Luft vibrieren. Etwas streifte ihren Arm scharf und schnell und sie tat hastig einen Schritt zur Seite. Von überall vernahm sie ein Rascheln und Flattern um sich herum und ihr war als lösten sich Schatten von dort, wo eins das Dachgewölbe endete und stürzten auf sie herab. Als Geschwader wütender Basilisken fielen die Angreifer über die biZZiklette her und da wusste sie, in welch misslicher Lage sie sich befand.

Das Reich der Schatten breitete seinen grausamen Schleier über die biZZiklette und würde sie samt Haut und Haar verschlingen. Sie war eingedrungen in eine Welt, in die kein Sterblicher blicken durfte und von der Nichts als alte Mythen und Sagen zu uns durchdrangen. Die biZZiklette zog mit einem Ruck ihr Rad zu sich heran und saß bereits im Sattel als das Heulen der wilden Schar wie ein gleißender Blitzschlag durch ihre Knochen fuhr. Chimären, Gorgonen und Nachtalben jagten über sie hinweg und das dumpfe Grollen des Guhl ließen sie noch wilder werden. Sie trat in die Pedale, so schnell wie nie zuvor und raste in die Dunkelheit, dem Nichts entgegen. Endlos erschien der einstige Dachstuhl, Wände, Decke, alles verschmolz mit der Dunkelheit, bis zur Unendlichkeit. Die Luft wurde immer dünner und die biZZiklette hatte große Not ihre brennenden Lungen mit Sauerstoff zu füllen. Die Sicht verschwamm ihr bereits vor Augen, als sie ihr Fahrrad mit aller Kraft herumriss, der wilden Schar entgegen. In diesem Moment explodierte der schneidende Schein des alten Lichtes auf dem Rad der biZZiklette und zerriss die Dunkelheit mit all ihren Schattenwesen. Das Licht strahlte wie Tausend Sonnen und flutete die Leere mit ihrem Schein. Die Schattenwesen quälten sich unendlich im hellen Glanz und unter gellenden Gebell zogen sie sich verbrannt und vertrieben zurück in die dunklen Ritzen des Dachgebälks.

Das Licht klomm ab und erlosch schließlich wieder. Die biZZiklette stand genau dort, wo alles begonnen hatte, wieder unter dem fahlem Licht der Deckenlampe, auf dem Dachboden, zwischen all den Kisten und Gerümpel. Ein kleines Stückchen Asche tanzte leise und einsam zu Boden und war wohl das letzte Zeugnis dieses seltsamen Ereignisses. Die biZZiklette hob es auf, betrachtete es kurz und zerrieb es zwischen den Fingern, bis nur noch eine samtig graue Spur blieb, die ihre Fingerkuppe taub werden lies.

Sie wandte sich wieder ihrem Fahrrad zu, war verzückt von dem neuen Kleinod, das die Front zierte und dachte:

“….was für eine herrlicher Tag für einen Ausflug!”

Fotos: Kristina Lindberg