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Die Abenteuer der biZZiklette

Die biZZiklette und die Grotte des Wahnsinns

Das Laub raschelt unter den Füßen der biZZiklette. Voller Tatendrang schlendert sie durch die kleinen verschlungenen Straßen und Gässchen am Fuße des Linzer Pöstlingberges. Vorbei an den Ranken gefesselten Villen, entlang unzähliger Stadtgärten und immer weiter und weiter, bis von der Stadt nichts mehr zu sehen ist. Von vergessenen Eichen umgeben bleibt die biZZiklette stehen. Die Kühle des Waldes streift ihr Gesicht. Etwas blitzt zwischen den dunklen Blättern eines alten knorrigen Schneebeerstrauches. Neugierig drückt sie die Zweige des Buschs auseinander. Ein altes Fahrrad.

Sie zieht es mit einem heftigen Ruck unter dem Strauch hervor. Unschlüssig schiebt die biZZiklette das vermooste Velo vor und zurück. Da packt sie der Eifer. Sie schwingt sich auf den brüchigen Sattel und setzt die Füße auf die Pedale. Doch schon beim ersten Triff setzt ein kalter Wind ein. Je schneller die biZZiklette fährt, desto mehr beginnt es zu toben und zu stürmen. Sie will sich eiligst aus dem fauchenden Herbststurm retten. Schnell in den nächsten Gang geschaltet.

KLICK.

Der Berg dreht sich um. Völlig überrascht und fassungslos schleudert die biZZiklette mit dem Rad den Steig hinab und kommt vor einem Felsvorsprung zum liegen. Schnell zieht sie das Rad unter die felsige Kante, lehnt sich an die Querstange und flucht. Der Regen prasselt fleißig weiter. Murrend über das Missgeschick und unsicher, was gerade passiert war, vernimmt die biZZiklette ein Scharren und Schürfen aus dem Inneren des Berges. Von der Neugier gepackt schiebt sie langsam das Fahrrad in den Berg, immer tiefer, den Geräuschen entgegen. Die Felswand schimmert dunkel und die Luft riecht dumpf.

Da tut sich vor ihr ein Raum von gigantischer Größe auf. Die Höhle scheint so enorm, dass sich ihr Ende nicht erkennen lässt. Zahlreiche Stalagmiten bohren sich aus dem felsigen Boden und türmen sich zu Bergen, deren Enden in der Dunkelheit verschwinden. Die Grotte wirkt widernatürlich und scheint von einer Art Straßensystem durchzogen. Langsam und gefesselt von den surrealen Ausmaßen der Höhle dringt die biZZiklette weiter vor. Etwas bewegt sich in der Dunkelheit. Kleine Schatten huschen zwischen den Felskanten und am Grund. Von ihrer Anhöhe aus bietet sich der biZZiklette ein atemberaubendes Bild.

Tausende Gestalten von winzigem Wuchs tummeln sich im Inneren der Höhle. Keuchend und schnaubend schieben sie voll beladen Karren vor sich her. Schimpfend und fluchend zertrümmern sie merkwürdig geformte Steinbrocken. Im Zentrum der Grotte erhebt sich aus dem Geröll eine Stadt. Der biZZiklette stockt der Atem, Als sie erkennt, um welches Städtchen es sich handelt.

Ihre Stadt. Linz. Nur schmächtig klein.

Wie gebannt starrt sie auf das phantastische Geschehen, das sich unter ihr auftut, da lässt sei ein herrsches Zischen aufschrecken. Steif vor Schreck dreht sie die biZZiklette langsam um. Im Fels eingesperrt kauert ein junger Mann. Verzweifelt erfleht er Hilfe. Verschleppt von den Zwergen, die damals in ihrer ruhmreichen goldenen Zeit, noch so zahlreich die Stadtgärten zierten. Damals, als die Menschen es schön fanden, kleine Wichte zwischen die Tulpen zu stellen. Damals, als die Menschen voller Freude in die lieben kleinen Gesichter blickten. Die Gesichter der lustigen Gnome, mit ihrer kleinen Spitzhacke in der einen und der kleinen Laterne in der anderen Hand. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Die Menschen hatten ihre Zwerglein satt. Die Gärten sollten wieder frei von den Insignien des Spießbürgertums und des schlechten Geschmacks werden. So ereilte die armen Zwerge ein tragisches Schicksal. Entsorgt, verlassen, ungeliebt zurückgelassen, einsam. Die Zwerge sammelten sich im Berg. Mehr und mehr verstoßene zog es in die Tiefen, unbemerkt und im Stillen. Die Jahre im Exil ließen die Gnome verbittern. Ihr Zorn auf die Menschen wurde immer gewaltiger und die Sehnsucht nach der Welt dort Draußen immer dringlicher.

Da begannen sie ihre teuflischen Absichten wahr werden zu lassen. Seit unzähligen Jahren nun locken die Zwerge ahnungslose Menschen in den Berg. Die Gnome bannen die neugierigen Schelme und versteinern sie. Aus Begierde nach der alten Heimat zertrümmern die Zwerge die zu Stein erstarrten Menschen und verwenden die Bruchstücke zur Nachbildung ihres schönen Städtchens, in dem so gerne wohnten. Blankes Entsetzten packt die biZZiklette, als sie die Geschichte des jungen Mannes hört. Mit einem einzigen Hieb gelingt es ihr den Verurteilten zu befreien.

Der Lärm bleibt nicht unbemerkt. Ein dumpfes Grollen lässt den Berg erbeben. Schnell deutet die biZZiklette ihrem Begleiter sich auf den Gepäckträger zu setzten und schon fliehen beide durch den engen Schacht Richtung Ausgang.

Die Flucht erweckt den mächtigen Wächter der Grotte. Ein kolossaler Bergmoloch, blind und kristallin schimmernd wälzt er sich in rasenden Tempo durch die engen Schächte, den beiden hinterher. Trotz der Gefahr lehnt sich der junge Mann zu Seite, um einen wunderschöne Mondsteinblume zu pflücken, die er der biZZiklette schenken will. Er stürzt vom Fahrrad. Die biZZiklette dreht sich um und sieht die verzweifelten Augen des liebeskranken Tölpels. Hinter ihm türmt sich der Moloch und zerschmettert den Zurückgebliebenen. Das Geräusch der berstenden Knochen treibt die biZZiklette an. Sie sieht bereits den Ausgang des Tunnels und schaltet in den nächsten Gang.

KLICK.

Der Berg dreht sich wieder. Die biZZiklette schleudert ins Freie. Die Sonne steht jetzt etwas tiefer als zuvor. Der Kirchturm am Pöstlingberg läutet die Abendstunde ein. Gemütlich setzt sie ihren Spaziergang fort und denkt:

„Was für ein herrlicher Tag für einen Ausflug.“

Fotos: Susanne Hödlmoser